Opel Blitz (1930-1975): Kennen Sie den noch?
Man kennt sie. Und irgendwie auch wieder nicht. Die Rede ist nicht von den eigenen Nachbarn, sondern von Autos, die so unauffällig blieben, dass sie heute nur eingefleischte Fans noch kennen.
Solche Modelle müssen nicht zwangsläufig zu Lebzeiten Flops gewesen sein. Aber sie liefen unter dem Radar des gewöhnlichen Autokäufers. In unregelmäßiger Folge wollen wir ab sofort unter dem Titel “Kennen Sie den noch?” Old- und Youngtimer aus dem Nebel des Vergessens holen.
1930 ist eines jener Jahre, an die sich die Weltgeschichte nicht mit besonderem Interesse erinnert: Sean Connery und Clint Eastwood werden geboren, eine Verpackungsfabrik in Minnesota lanciert eine eigene Erfindung (das Klebeband) und Uruguay gewinnt die erste Fußball-WM.
Doch vor 90 Jahren bringt Opel mit dem Blitz ein Nutzfahrzeug auf den Markt, das in die Geschichte eingehen und über vierzig Jahre lang produziert werden sollte. Der Name “Blitz” entsprang einem Preisausschreiben. Hauptpreis: ein Opel Pkw-Viersitzer. Eineinhalb Millionen Menschen nahmen teil.
Die Weltwirtschaftskrise von 1929, die in den Vereinigten Staaten ihren Anfang nahm, traf Europa hart und verschonte auch Deutschland, wo die Lage ohnehin nicht gerade brillant war, nicht. In der allgemeinen Depression schafft es Opel, das im Vorjahr zu 80 Prozent an General Motors übergegangen war, trotz einer Reihe großer Probleme, die Werke nicht zu schließen. Die Montagelinien laufen weiter, wenn auch auf einer Schmalspur, um das Unternehmen am Leben zu erhalten und es auf den Neustart vorzubereiten.
Und gerade im Hinblick auf einen Neustart stellt das Opel-Management fest, dass die alten Lastwagen, die in den vergangenen zwanzig Jahren, einschließlich des Ersten Weltkriegs, die Nutzfahrzeugszene dominierten, allmählich veraltet sind. Man will den Markt mit leichten, wendigen und sparsamen Fahrzeugen “angreifen”, die zugleich günstiger sind als die Konkurrenz von Mercedes-Benz.
Da kommt die Übernahme durch GM genau richtig. Dort gibt es als Blaupause bereits kleine Lastwagen von Chevrolet. So kann Opel relativ zügig neue 1,5- und 2-Tonner vorstellen, die einen bewährten Buick-Motor mit vier Zylindern und 2,6 Liter Hubraum unter der Haube haben. Das reicht, um den knapp 1,7 Tonnen schweren Basis-Blitz auf 65 km/h zu bringen.
Der Name “Blitz” mag angesichts solcher Fahrleistungen übertrieben klingen. Bereits 40 Jahre zuvor prangte er an einem Produkt von Opel, einem Herrenfahrrad. Trotz Wirtschaftskrise erweist sich der neue Opel Blitz als Erfolg, schon im ersten Jahr laufen gut 1.400 Einheiten vom Band.
Lieferbar war der Blitz in drei Radständen, die Leistung stieg auf 64 PS. Nach unten rundete ein 1-Tonner das Programm ab. 1934/35 lag der Anteil der Lkw-Fertigung zwischen 10 und 15 Prozent der Produktion.
Das Fahrgestell des Opel Blitz kann mit einer Vielzahl von Aufbauten versehen werden, von den klassischen Versionen für den Transport von Gütern in geschlossenen Lieferwagen über solche mit Aufbau und Plane bis hin zu den Busversionen oder Varianten für spezielle Einsätze wie Feuerwehrfahrzeuge oder Krankenwagen.
Die Nachfrage wächst so schnell, dass Opel wenige Monate nach der Markteinführung gezwungen ist, ein neues Werk in Brandenburg zu eröffnen, um hier die 2,0- und 2,5-Tonner zu montieren. Dort wird übrigens 1942 ein gewisser Heinz Nordhoff zum Werksleiter, der nach dem Krieg als VW-Chef zur Legende mutiert.
Im Jahr 1936 kommt der Blitz S (wobei der Buchstabe “S” für “Standard” steht), ein 3-Tonnen-Lastwagen mit dem 3,6 Liter großen Admiral-Motor und Hinterradantrieb. Erst im Jahr 1940, hauptsächlich zur Erfüllung von staatlichen Anweisungen zur Militarisierung der Fahrzeugflotte zeigten, wird für den Kriegseinsatz eine Version (Typ “A”) mit zuschaltbarem Frontantrieb vorbereitet.
Ab 1942 wird auch eine halbkettengetriebene Version hergestellt, das “Sd.KfZ. 3a”, intern “Maultier” genannt. Sie war hauptsächlich für die SS-Bataillone und insbesondere für die russische Front bestimmt. Zwischen 1931 und 1944 baut Opel insgesamt mehr als 130.000 Blitz-Modelle. Als das weitgehend zerstörte Werk in Brandenburg nach 1945 demontiert wird, produziert Daimler-Benz in seinem Mannheimer Werk bis 1949 noch 10.400 Einheiten in Lizenz, die schlicht “L 701” genannt werden.
Nutzfahrzeuge waren nach dem Krieg schwer begehrt: Die Opel-Produktion des Blitzes wird 1946 in Rüsselsheim wieder aufgenommen. Der Opel Blitz erweist sich als unentbehrliches Vehikel für die Erholung der deutschen Industrie und des Handwerks. Der Absatz steigt eindrucksvoll von 3.219 Einheiten im Jahr 1947 auf 11.574 im Jahr 1949.
1952 wird eine neue 1,9-Tonnen-Version vorgestellt, die sich unter anderem durch eine modernere, abgerundete und recht “amerikanische” Linienführung auszeichnet. Dieser Opel Blitz läuft bis 1960 in 89.767 Einheiten vom Band und dient als Basis für zahlreiche Spezialaufbauten.
Auf der IAA 1959 wird ein wesentlich erneuerter Blitz vorgestellt: ein 1,9 Tonnen leichter Lastwagen, der mit zwei verschiedenen Radständen (3.000 und 3.300 mm) erhältlich ist. Der mit dem Kapitän-Motor ausgestattete Opel Blitz leistet 70 PS aus 2.605 Kubikzentimeter Hubraum, später 80 PS. Das reicht für bis zu 100 km/h. Neu ist auch die vollsynchronisierte Lenkradschaltung.
Nach Anfangserfolgen sackt die Produktion des Blitz deutlich ab, 1967 werden nur noch gut 3.500 Fahrzeuge jährlich gebaut. Der Hauptgrund: Es gibt noch immer keinen Diesel. So greift man ab 1968 auf einen 2,1-Liter-Motor mit 60 PS zurück, der von Peugeot/Indenor stammt. Ab Ende des Jahres gibt es den angepassten Diesel als Option für die 2,1- und 2,4-Tonner. Tatsächlich steigen die Verkaufszahlen nun deutlich an, wenngleich nur kurzfristig.
Der 1,9 Tonnen schwere Blitz bleibt bis 1972 im Programm, als man die Produktion der leichten Nutzfahrzeuge von Opel von Rüsselsheim in die britischen Werke von Bedford verlagert, einer Marke der Vauxhall-Gruppe, die wiederum zu hundert Prozent von General Motors kontrolliert wurde und einige Jahre lang den “Bedford-Blitz” nach Deutschland exportiert.
Die schweren Opel-Blitz-Varianten werden noch bis 1975 gebaut, knapp 219.000 Opel Blitz waren nach 1945 vom Band gelaufen. Der Bedford-Blitz bleibt als Antwort auf den VW Transporter bis in 1980er-Jahre im Opel-Programm. Die Schließung des Bedford-Werks in Luton bedeutet schließlich das Aus.
Erst 1998 stieg Opel mit dem Movano wieder in das Segment der leichten Nutzfahrzeuge ein. Hier handelt es sich um eine Gemeinschaftsproduktion mit Renault und Nissan.